Eine neue („alte“) Sichtweise des Themas wäre angezeigt
Seit mehr als einem Jahrzehnt leiden Bauträger darunter, dass die Rechtsprechung die in ihrer Zeit üblichen Abnahmeklauseln in Bauträgerkaufverträgen nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam ansieht und keine Ersatztatbestände anerkennt. Die Unwirksamkeit der Klauseln, für die bislang anscheinend noch kein beurkundender Notar in die Haftung genommen worden ist, hat für Bauträger die fatale Konsequenz, dass sie zeitlich unbefristet Gewährleistung für Mängel an der Bausubstanz leisten müssen, wenn sie sich nicht ausnahmsweise auf einen besonderen Verwirkungstatbestand berufen können. Oft trifft dieses Schicksal Bauträger in Bezug auf Mängel am Gemeinschaftseigentum einer Wohnanlage. Seltsam erscheint das schon, wenn die Rechtsprechung Käufern auch nach Jahrzehnten noch Gewährleistungsansprüche gegen einen Bauträger zuspricht, der sich kaum noch an das Projekt erinnern kann und oft auch gar keine Projektunterlagen mehr besitzt. Sieht man sich die Rechtsprechung genau an, stellt man fest, dass sie für diese Sichtweise einen dogmatischen Trick anwendet, der die Käufer von Eigentumswohnungen gegenüber anderen Bestellern von Werkleistungen einseitig bevorzugt. Der Trick geht so, dass nach Auffassung der jüngeren Rechtsprechung die Abnahme eine Willenserklärung ist, die ein Käufer überhaupt nur dann durch schlüssiges Verhalten (Ersatztatbestand) abgeben kann, wenn er ein auf die Abgabe der Willenserklärung bezogenes Erklärungsbewusstsein besitzt. Das wird jedoch solchen Käufern abgesprochen, die eine unwirksame Abnahmeklausel in ihren Bauträgerkaufverträgen haben. Der Trick funktioniert aber nur dann, wenn man die werkvertragliche Abnahme als Willenserklärung oder als geschäftsähnliche Handlung, für die ein Erklärungsbewusstsein erforderlich ist, begreift. Tatsächlich ist die werkvertragliche Abnahme aber gar keine Willenserklärung und auch keine geschäftsähnliche Handlung, sondern ein Realakt (Tathandlung). Es spricht deswegen in Wirklichkeit viel dafür, dass die Rechtsprechung der letzten Jahre einem rechtsgeschichtlichen Irrtum anheimgefallen ist, wie die nachfolgende Abhandlung zeigt.
Rechtsgeschichtlicher Irrtum?
Nach Auffassung des Autors beruht die Rechtsprechung der letzten Jahre, nach der im Falle einer unwirksamen Abnahmeklausel im Bauträgervertrag die Möglichkeit einer Abnahme durch schlüssiges Handeln des Käufers in Ermangelung eines entsprechenden Erklärungsbewusstseins ausscheidet, auf einem rechtsgeschichtlichen Irrtum und bedarf deswegen der Korrektur.
Das soll nachfolgend im Einzelnen aufgezeigt werden. Dabei sind sämtliche Hervorhebungen in den wiedergegebenen Gesetztestexten oder sonstigen Textpassagen Hervorhebungen des Unterzeichnenden.
Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die werkvertragliche Abnahme in § 640 BGB geregelt. Ihren Ursprung hat die gesetzliche Regelung aber bereits in den Gesetzesentwürfen aus der Zeit davor.
Erstmals aufgetaucht ist die gesetzliche Regelung der Abnahme in § 572 Satz 1 des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich von 1888. Sie war in diesem Entwurf noch wie folgt formuliert:
„Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen.“
Noch vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches kam es zu einer Verlagerung der Regelung nach § 640 Satz 1 BGB und zu einer geringfügigen Modifikation des Textes. Im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896 lautete § 640 Satz 1 BGB wie folgt:
„Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist.“
Daran sollte sich dann für lange Zeit und im Kern bis heute nichts mehr ändern.
Die Regelung von 1896 trat als Bürgerliches Gesetzbuch am 01.01.1900 unverändert in Kraft. Später wurde die in § 640 Satz 1 BGB enthaltene Regelung zu § 640 Abs. 1 BGB. Bis in das Jahr 1999 lautete § 640 Abs. 1 BGB stets unverändert wie folgt:
„Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist.“
Ab dem Jahr 2000 wurde die Regelung in § 640 Abs. 1 BGB um weitere Regelungen ergänzt und lautete ab da:
„Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist.“
Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.“
Seit dem Jahr 2018 lautet § 640 Abs. 1 BGB nunmehr:
„Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werks die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden.“
Damit kann festgestellt werden, dass sich die gesetzliche Regelung der Abnahme über mehr als hundert Jahre hinweg nicht geändert hat und stets wie folgt lautete:
„Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist.“
Quasi als Selbstverständlichkeit ergibt sich daraus, dass sich der Inhalt dessen, was die werkvertragliche Abnahme ist, eigentlich auch nicht verändert haben kann. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung zwar inhaltlich unverändert gelassen hat, dem inhaltlich unverändert gebliebenen Text aber plötzlich eine veränderte inhaltliche Bedeutung zusprechen wollte.
Liest man den Gesetzestext laienhaft und unbefangen, so wird man von dem Gesetzestext nicht auf die Abgabe einer Erklärung, sondern auf eine tatsächliche Handlung schließen. Dies gilt umso mehr als auch nur eine tatsächliche Handlung an der Beschaffenheit des Werkes scheitern kann, niemals aber eine Erklärung.
Einen Gegenstand abnehmen bedeutet dem allgemeinen Sprachgebrauch nach, ihn von einer Stelle fort- bzw. herunterzunehmen oder ihn sich von jemandem geben zu lassen bzw. ihn von jemandem entgegenzunehmen. Das kann man im Duden nachlesen. Es geht bei dem Begriff „abnehmen“ dem allgemeinen Verständnis nach um das körperliche Verhalten und nicht um das Erklärungsverhalten einer Person.
Historisch gesehen ergibt sich nichts anderes. Auch im deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm, das den Sprachgebrauch in der Zeit seit Mitte des 19. Jahrhunderts widerspiegelt, wird der Begriff „abnehmen“ im Sinne eines körperlichen Verhaltens verstanden:
„abnehmen, auferre, tollere, nnl. afnemen, sinnlich: die äpfel, früchte vom baum, den hut vom kopf, mantel von der schulter, den rahm von der milch, das kind von der brust oder dem arm, den dieb vom galgen abnehmen. mit persönlichem dativ: einem mantel, hut und stock abnehmen, das geld, die last und bürde abnehmen; mit bloszem acc. die milch abnehmen, den rahm abnehmen, den bart abnehmen. früher galt abnehmen vom abschlachten oder abthun der thiere: ein hopt (vihes) abnemen.“
Für die Erstverfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches dürfte sich damit kein anderes Verständnis des von ihnen gewählten Begriffs ergeben haben.
Interessant ist, dass der erste Entwurf der gesetzlichen Regelung einer werkvertraglichen Abnahme in den Motiven für den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich von 1888 wie folgt begründet wurde:
„Der Entwurf hat aus denselben Gründen, aus welchen er für Veräußerungsfälle davon abgesehen hat, den Erwerber bei oder nach der Ablieferung der veräußerten Sache in der einen oder anderen Form zu einer Prüfung der Vertragsmäßigkeit oder Empfangbarkeit der Sache zu nötigen, auch hier davon Abstand genommen, eine Prüfungspflicht des Bestellers vorzuschreiben, da kein Grund obwaltet, denselben nachteiliger zu stellen, wie im Veräußerungsfalle den Erwerber. Der § 572 beschränkt sich deshalb darauf, nach Analogie der die Abnahmepflicht des Käufers aussprechenden Vorschrift des § 459 Abs. 2 den Besteller für verpflichtet zu erklären, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, und an die Abnahme als solche, wie nach dem § 386 in Veräußerungsfällen, nur den Verlust des Rügerechts in Ansehung derjenigen Mängel zu knüpfen, von welchen er bei Abnahme Kenntnis hatte, es sei denn, dass er bei der Abnahme sich wegen dieser Mängel seine Rechte vorbehalten hat.“
Festzustellen ist insoweit, dass es in der in Bezug genommenen kaufrechtlichen Regelung des § 459 Abs. 2 damals hieß:
„Der Käufer wird durch den Kaufvertrag verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die verkaufte Sache abzunehmen.“
Und in den Motiven hierzu hieß es:
„Die Verpflichtungen des Käufers sind im zweiten Absatze bezeichnet. Diejenige zur Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises (§§ 460, 461) mag selbstverständlich erscheinen, ist aber, als für den Kaufvertrag im Gegensatze zu anderen auf Veräußerung und Umsatz gerichteten Verträgen karakteristisch hervorgehoben. Daneben ist nach dem Vorgange des preuß. A. L. R. I, 11 § 215 (…), des österr. G. B. § 1062, des schweiz. Bd. Ges. Art. 260, sowie des hess. Entw. Art. 21 und des dresd. Entw. Art. 453 dem Käufer die Verpflichtung auferlegt, dem Verkäufer die verkaufte Sache abzunehmen. Diese Verpflichtung wird als eine allgemeine in Theorie und Praxis nicht durchaus anerkannt. In den meisten Fällen ist jedoch die Abnahmepflicht als eine aus dem Vertrage sich ergebende und selbständig klagbare zweifellos begründet. Schwiege das Gesetz, so würde die Abnahmepflicht als naturale negotii verneint erscheinen und die Gefahr bestehen, dass sie nur in den Fällen anerkannt würde, in welchen sie ausdrücklich bedungen worden oder als stillschweigend vereinbart sich nachweisen ließe. Daraus, dass die modernen Kodifikationen sich überwiegend für die Verpflichtung aussprechen, ist auch auf ein praktisches Bedürfnis, dieselbe anzuerkennen mit Sicherheit zu schließen. Dass der Käufer nur dann verpflichtet ist, die gekaufte Sache, bzw. die angebotene Sache abzunehmen, wenn sie vertragsmäßig angeboten ist (…), bedarf, da es aus anderen allgemeinen Vorschriften folgt, keines besonderen Ausdrucks.“
Daraus kann abgeleitet werden, dass der damalige Entwurfsverfasser die kaufrechtliche und die werkvertragliche Abnahme als ein und dasselbe begriffen hat. Eine unterschiedliche Rechtsnatur ist nicht erkennbar und kann folglich auch nicht aus den Gesetztestexten beim Werkvertragsrecht und beim Kaufrecht abgeleitet werden.
Auch der § 459 Abs. 2 aus dem Entwurf von 1888 hat bis heute als § 433 Abs. 2 BGB überdauert. Nichts hat sich geändert. Heute lautet die gesetzliche Regelung wie damals:
„Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.“
Obwohl die kaufvertragliche Abnahme der Kaufsache und die werkvertragliche Abnahme des Werkes nach den Motiven von 1888 identische Inhalte besitzen sollten, weist die heutige Standardliteratur für die beiden Abnahmen seltsamerweise unterschiedliche Inhalte aus.
Im Palandt von 2020 (79. Aufl.) ist die kaufvertragliche Abnahme in § 433 RN 43 wie folgt kommentiert:
a) Begriff. Abnahme ist der tatsächliche Vorgang, durch den der Käufer oder eine andere Person den Besitz (§ 854) der gekauften, bereitgestellten Sache vom Verkäufer übernimmt. Das betrifft nur Sachen (§ 90) einschließlich Grundstücke sowie Tiere (§ 90a). Bei Grundstücken umfasst die Abnahmepflicht auch die Entgegennahme der Auflassung (BGH NJW-RR 89,651). b) Rechtsnatur. Die Abnahme ist Tathandlung (Realakt, Übbl 9 v § 104). Hingegen liegt eine empfangsbedürftige Willenserklärung (Übbl 2 v § 104) vor, wenn die Abnahme verweigert oder zurückgewiesen wird. Die Abnahmepflicht ist in der Regel und im Zweifel Nebenpflicht (hM), weil sie keine Gegenleistung für die verkaufte Sache darstellt (…).
Diese Kommentierung entspricht inhaltlich exakt den Motiven von 1888. Die Abnahme der Kaufsache ist eine Pflicht des Käufers. Sie ist eine Tathandlung in Form einer Besitzübernahme und nur im Falle der Verweigerung der Abnahme bedarf es für deren Erkennbarkeit für den Verkäufer der Abgabe einer entsprechenden empfangsbedürftigen Willenserklärung.
Im Gegensatz dazu ist im gleichen Palandt die werkvertragliche Abnahme in § 640 RN 3ff wie folgt kommentiert:
a) Grundsatz. Abnahme des vertragsmäßig hergestellten Werks bedeutet im Grundsatz körperliche Entgegennahme im Rahmen der Besitzübertragung, verbunden mit Anerkennung (Billigung) des Werkes als in der Hauptsache vertragsgemäße (§ 633 RN 3) Leistung (…); Prüfung des Werkes durch den Besteller ist nicht erforderlich (…). … Rechtsnatur der Abnahmeerklärung (empfangsbedürftige Willenserklärung oder geschäftsähnliche Handlung) ist strittig (…). … c) Besteller hat abzunehmen. … 4) Abnahmepflicht, Abs. 1. – a) Grundsätze, Satz 1. Sie ist wegen der einschneidenden Wirkungen der Abnahme (Rn 18) Hauptpflicht des Bestellers (…).
Diese Kommentierung entspricht nicht mehr den Motiven von 1888 und offenbart eine gewisse Verselbständigung der werkvertraglichen Abnahme. Obwohl festgestellt wird, dass keine Prüfpflicht des Bestellers besteht (warum auch?), wird der werkvertraglichen Abnahme zusätzlich zur körperlichen Entgegennahme des Werkes eine Anerkennungsverhaltensweise des Bestellers zugeordnet, von der man nicht weiß, ob sie eine Willenserklärung oder eine geschäftsähnliche Handlung des Bestellers ist. Zwar weist auch die Kommentierung bei § 640 nur eine Abnahmepflicht und kein Abnahmerecht des Bestellers aus, jedoch wird der Abnahmepflicht des Bestellers der Rang einer Hauptleistungspflicht des Bestellers zugeordnet. Insgesamt ergeben sich entgegen der Kommentierung bei § 433 größere Widersprüche aus der Kommentierung, die auf Uneinigkeit der Juristen über das Wesen der werkvertraglichen Abnahme schließen lassen.
Die Unterschiede in den Kommentierungen lassen sich mit dem Gesetzestext und den Motiven des Gesetzgebers, wie sich aus der oben dargestellten Rechtsgeschichte der Gesetzestexte ergibt, nicht erklären.
Richtig dürfte nach den Motiven von 1888 sein, dass es sowohl bei der kaufvertraglichen Abnahme als auch bei der werkvertraglichen Abnahme nicht um eine Willenserklärung des Käufers/Bestellers geht, sondern nur darum, dass beide verpflichtet sind, ihre Vertragspartner durch Abnahme in Form der körperlichen Entgegennahme der Kaufsache bzw. des Werkes von den vertragsgemäßen Gegenständen zu befreien, auf dass diese wieder Platz haben, neue Kaufsachen zu lagern bzw. neue Werke zu produzieren.
Als die Rechtsprechung sich vor 10 bis 15 Jahren bei Bauträgerverträgen mit AGB-rechtlichen Prüfungen verstärkt um dortige Abnahmeklauseln kümmerte, da machte das Oberlandesgericht München mit einem kurzen Beschluss vom 15.12.2008 – 9 U 4149/08 auf sich aufmerksam. Darin formulierte es in Bezug auf die Rechtsfolgen unwirksamer Abnahmeklauseln folgenden Leitsatz:
„2. Erklärt der vom Bauträger so beauftragte Sachverständige die Abnahme, so treten die Abnahmewirkungen zu Lasten der Erwerber nicht ein; eine schlüssige Abnahme durch Ingebrauchnahme kommt mangels erkennbarem Erklärungsbewusstseins der Erwerber nicht in Betracht.“
Dieser Leitsatz hält sich bis heute und hat bis heute zur Folge, dass ein Bauträger sich unter nahezu keinem Gesichtspunkt auf eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums berufen kann und das, obwohl ihm das Werk im Sinne der Motive von 1888 und im Sinne der seit mehr als hundert Jahren gültigen gesetzlichen Bestimmung von seinen Bestellern im Wege der Besitzübernahme (§ 854 BGB) abgenommen worden ist und die Besteller die Abnahme ihm gegenüber auch nicht wegen der Nichtvertragsmäßigkeit des Werks verweigert haben.
Mit seinem Beschluss vom 15.12.2008 hat das Oberlandesgericht inhaltlich aufgesetzt auf das Urteil des Landgerichts München I vom 02.07.2008 – 18 O 21458/07 und die dagegen gerichtete Berufung gemäß § 522 ZPO zurückgewiesen. In diesem Urteil hat sich auch das Landgericht mit der Abnahmethematik beschäftigt. Dabei ist es zum gleichen Ergebnis wie das Oberlandesgericht gekommen, allerdings mit einer davon im entscheidenden Punkt abweichenden Begründung. In dem Urteil heißt es:
„Eine Abnahme ist nicht erfolgt. Die Klausel in den Bauträgerverträgen, wonach die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger bestimmten Sachverständigen vorgenommen werden soll, benachteiligt die Bewerber unangemessen und ist daher gemäß § 9 AGB-Gesetz unwirksam. Dementsprechend kann sich die Beklagte auf die durchgeführte Abnahme nicht berufen. Eine schlüssige Abnahme ist ebenfalls nicht denkbar, da die Klägerin umfangreiche Mängel rügt und insoweit unstreitig vor dem Landgericht München 1 ein selbständiges Beweisverfahren (Az.: 2 OH 19978/07) eingeleitet hat. Unter diesen Umständen kommt eine konkludente Abnahme nicht in Betracht. In Folge dessen ist auch eine Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht denkbar.“
Das Landgericht hat entgegen dem Oberlandesgericht eine schlüssige Abnahme der Besteller nicht ausgeschlossen aber in dem Verhalten der Besteller, die Mängel gerügt und ein selbständiges Beweisverfahren gegen den Bauträger eingeleitet hatten, das gesehen, was schon die Motive von 1888 dem Besteller zubilligten, die Verweigerung der Abnahme, weil das Werk nicht vertragsgemäß ist. Das Landgericht hat das Verhalten als erklärte Abnahmeverweigerung angesehen und sich der Kommentierung der kaufvertraglichen Abnahme, die die Verweigerung der Abnahme als empfangsbedürftige Willenserklärung des Käufers ansieht, angeschlossen. Das war für sich gesehen logisch.
Demgegenüber wählte das Oberlandesgericht einen wesentlich radikaleren Ansatz und ging dabei davon aus, dass es sich bei der werkvertraglichen Abnahme nicht um einen Realakt, sondern um einen Erklärungsakt des Bestellers gegenüber dem Unternehmer handelt, der nach allgemeinen Regeln dann auszuscheiden hat, wenn es dem Erklärendem am Erklärungsbewusstsein fehlt.
Die Frage ist, ob das richtig ist.
Im Münchener Kommentar von 1988 (2. Auflage) wird der Begriff und das Wesen der werkvertraglichen Abnahme in § 640 RN 2 wie folgt kommentiert:
„Unter der Abnahme eines Werkes versteht man einmal die körperliche Entgegennahme des vom Unternehmer hergestellten Werkes und zum anderen die damit verbundene Erklärung des Bestellers, dass er das Werk als in der Hauptsache vertragsgerecht erbracht anerkenne.“
Seltsam daran erscheint bereits, dass der Besteller eine Erklärung abgeben soll, dass das Werk als in der Hauptsache vertragsgemäß erbracht worden ist, obwohl er doch gar keiner Prüfungspflicht im Hinblick auf die Werkbeschaffenheit unterliegt. Warum bedarf es dann der Abgabe einer Erklärung, die inhaltlich eine Prüfung der Werkbeschaffenheit voraussetzt?
Nach dieser Definition (sog. zweigliedriger Abnahmebegriff) haben jedenfalls viele Jurastudenten gelernt, was eine werkvertragliche Abnahme sein soll und als dieser Definition folgend lässt sich auch die genannte Beschlussentscheidung des Oberlandesgerichts München interpretieren. Wenn die werkvertragliche Abnahme eine Erklärung des Bestellers mit bestimmtem Inhalt fordert, dann bedarf es für die Abgabe dieser Erklärung (naturgemäß) auch eines entsprechenden Erklärungsbewusstseins des Bestellers. Sonst könne man eben keine Erklärung des Bestellers annehmen, auch nicht durch schlüssige Verhaltensweisen.
Fehlerhaft an der Definition erscheint jedoch, dass im Münchner Kommentar zur Rechtfertigung der Definition der werkvertraglichen Abnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und dabei konkret auf drei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes verwiesen wird. Die älteste Entscheidung davon ist BGH NJW 1961, 115. In dieser Entscheidung findet sich aber gar keine zweigliedrige Definition der Abnahme. Dort heißt es stattdessen:
„Es begründet keinen rechtlichen Unterschied, dass in § 341 Abs. 3 BGB von der Annahme der Erfüllung und in § 11 Ziffer 2 Satz 2 VOB von der Abnahme der Leistung die Rede ist. Beide Begriffe und ebenso die Begriffe der Annahme als Erfüllung in § 363 BGB und der Abnahme in § 640 BGB sind gleichbedeutend (vgl. RGZ 57, 337, 338; 59 378, 380; 73, 147). …
Es genügt, dass der Auftraggeber die Leistung als im wesentlichen vertragsmäßige Erfüllung behandelt (RGZ 107, 340, 343; 110, 404, 407).“
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wurde die Behandlung der Leistung als im Wesentlichen vertragsmäßig darin gesehen, dass der Besteller Wohnungen mit streitgegenständlichen Fenstern vermietet hat und selbst Mängelrügen des Architekten des Bestellers änderten nichts an der Behandlung dieses Realverhaltens als Abnahme.
Damit passen beim Münchner Kommentar Definition und Fußnote eindeutig nicht nur nicht zusammen, sondern ergibt sich aus der Quelle genau das Gegenteil dessen, was als Definition der Abnahme kommentiert worden ist.
Fraglich ist, wo es dann zu einem inhaltlichen Bruch gekommen sein könnte.
Inhaltlich scheint sich aus der jüngsten zitierten Entscheidung des BGH, die wohl von 1983 stammt (BGH BauR 1983, 573, 575) kein inhaltlicher Bruch im Sinne der plötzlichen Notwendigkeit der Abgabe einer Willenserklärung im Rahmen der Abnahme zu ergeben. Dies legt jedenfalls die Entscheidung des BGH vom 20.01.2000 – VII ZR 224/98 nahe, in der die Entscheidung von 1983 wie folgt zitiert wird:
„Diese setzt neben der Billigung des Werkes als der Hauptsache nach vertragsgemäßen Leistung deren körperliche Hinnahme voraus (BGH, Urteil vom 30. Juni 1983 – VII ZR 185/81 = BauR 1983, 573 = ZfBR 1983, 260). Eine dem Gesetz entsprechende Abnahme kam ohne die Übergabe der Wohnungen an den Kläger grundsätzlich nicht in Betracht.“
Hier geht es zwar um die Billigung neben der körperlichen Hinnahme, jedoch ergibt sich auch daraus nicht, dass eine Billigung zwingend erfordert, dass der Besteller eine entsprechend positiv formulierte Willenserklärung an den Unternehmer abgibt. Richtig dürfte sein, dass eine derartige Erklärung auch nicht erforderlich ist, wenn der Besteller das Bauwerk körperlich hinnimmt und real als Vertragserfüllung behandelt, in dem er einzieht und darin wohnt oder in dem er es vermietet.
Vielleicht hat sich die juristische Literatur und die damit im Kontext stehende Rechtsprechung im Laufe von Jahrzehnten einfach nur inhaltlich verstiegen und es verabsäumt, die Dinge auf das zurückzuführen, was sie nach dem Willen des Gesetzgebers und nach den über die Jahrhundertwenden gleichgebliebenen Gesetzestexten von Anfang an waren. Rechtsfehlerhaft erscheint jedenfalls die Annahme, dass die werkvertragliche Abnahme mehr ist als ein Realakt, zu dem der Besteller verpflichtet ist, wenn das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt worden ist. Rechtsfehlerhaft erscheint dem Autor die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die werkvertragliche Abnahme eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Käufers einer Eigentumswohnung ist, die ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein des Käufers voraussetzt. Das ist sie gerade nicht und ein Besteller ist auch gar nicht verpflichtet, das Werk auf Vertragsmäßigkeit zu prüfen, was aber erforderlich wäre, wenn er für eine Abnahme eine entsprechende Erklärung abgeben müsste.
Wenn man die werkvertragliche Abnahme so begreift, wie es der Gesetzgeber von 1896 getan hat, dann erfolgt die Abnahme einer Eigentumswohnung durch freiwillige Entgegennahme der Schlüssel zum Zwecke des Einzugs mit der Möglichkeit der Zurückweisung wegen der fehlenden Vertragsmäßigkeit der Werkleistung und nicht durch nachgelagerte Willenserklärungen. Im oben behandelten Fall ist es nur deswegen etwas anderes, weil die Fenster nicht vom Besteller übernommen, sondern einfach bei ihm eingebaut worden sind und die Rechtsprechung sich deswegen auf die Vermietung der Wohnungen als vergleichbaren Akt der Entgegennahme der Werkleistung durch den Besteller als Abnahme gestützt hat.
Vieles spricht dafür, dass auch die werkvertragliche Abnahme (nur) ein Realakt und keine empfangsbedürftige Willenserklärung ist. Die Motive des Gesetzgebers von 1888. Der Gesetzestext ab 1896. Der Umstand, dass der Gesetzestext nie geändert worden ist. Der Umstand, dass die Rechtsprechung nicht am Gesetzgeber vorbei ein vom Gesetz abweichendes Recht setzen kann. Der Umstand, dass es nur um eine Pflicht und gerade nicht um ein Recht des Bestellers geht. Der Umstand, dass der Besteller nicht zur Prüfung der Werkleistung verpflichtet ist. Der Umstand, dass der Unternehmer zwar ein Interesse daran hat, dass ihm sein Werk körperlich abgenommen wird, nicht aber ein Interesse daran, dass ihm gegenüber Erklärungen abgebeben werden. Der Umstand, dass die Abnahme auch ohne Abnahmeerklärung funktioniert und dass auch bei einer Abnahme als Realakt dem Besteller die Möglichkeit offensteht, die Realaktabnahme durch Abgabe einer Erklärung zu verweigern. Der Umstand, dass auch der Vorbehalt gemäß § 640 Abs. 3 BGB nicht voraussetzt, dass auch die Abnahme als Willenserklärung zutage tritt. Der Umstand, dass die Fälligkeit der Vergütung viel besser zu einem durch Besitzübergang stattfindenden Übergang von Werten aus der Sphäre des Unternehmers in die Sphäre des Bestellers passt (vergleichbar Kaufrecht) als die Abgabe einer Willenserklärung. Der Umstand, dass der Besteller nach Abnahme durch die Sachmängelrechte mehr als ausreichend geschützt wird, was etwaige Mängel der Werkleistung anbelangt. Der Umstand, dass die Willenserklärung in die Abnahme hineingedichtet zu sein scheint und vieles weitere mehr. Dieser Aufsatz ist jedoch nicht der geeignete Ort, die Fragestellungen mit größter wissenschaftlicher Tiefe zu prüfen. Er begnügt sich damit, die eindeutige Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung aufzuzeigen, die auf eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Benachteiligung des Unternehmers (Bauträgers) hinausläuft und die den Besteller (Käufer) ohne Grund bevorteilt.
Nach Auffassung des Autors ist deswegen davon auszugehen, dass spätestens mit körperlicher Entgegennahme und vollständigem Bezug einer Wohnanlage und mit deren Nutzung, ohne die Vertragswidrigkeit der Wohnanlage in Form wesentlicher Mängel des Gemeinschaftseigentums zu artikulieren, und damit zeitnah zur Übergabe von der Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Sinne des Gesetzes auszugehen.
Deswegen sind die meistens von einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach vielen Jahren und manchmal nach Jahrzehnten geltend gemachten Gewährleistungsansprüche (Sachmängelansprüche) wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum auch bereits seit Langem verjährt. Eine vom Bauträger erhobene Einrede der Verjährung muss erfolgreich sein.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Thomas Guldenkirch, München
(12.03.2021)